Wie jedes Jahr beendeten wir um den 01.04. unsere sogenannten Winterarbeiten. Als Winterarbeiten bezeichnen wir das Schneiden und Ausheben der Reben aus dem Drahtrahmen, danach werden sie an den Draht angebunden. Wir waren bereit für den Austrieb. Aufgrund der sehr kühlen Witterung im Frühjahr lies jener jedoch auf sich warten. Bis in den April hinein herrschte kühles Wetter mit wenigen Sonnenstunden. Erwartet hätten wir den Austrieb bzw. das Aufspringen der Knospen – den sogenannten Budbreak – Anfang bis Mitte April. Ende April war es dann endlich soweit.
Wir nutzen diese Zeit, um in unseren Weingärten unsere Begrünungsmischungen anzubauen und die Unterstockbodenbearbeitung durchzuführen. Nach dem Austrieb verlief die Vegetation zunächst ruhig und gleichmäßig. Aufgrund nicht allzu ergiebiger, jedoch ausreichender Niederschläge, wuchsen die Reben zügig.
Dann war es an der Zeit für die Sommerarbeiten: das Einstricken der Triebe, das Entfernen von Wasserschossen am Stamm und vor allem die Regulation der Triebanzahl auf der Fruchtrute. Die wichtigste qualitätssichernde Maßnahme in unserem Betrieb ist die Laubwandarchitektur. Das heißt: Wir wollen, dass die Triebe so gerade wie möglich nach oben wachsen und nicht aufeinander oder durcheinander in der Laubwand liegen. Dementsprechend aufwändig gestaltet sich das Einstricken der Triebe. Unser phänomenales Team gibt in dieser Zeit alles. Mit Sorgfalt und Sachverstand werden diese Arbeiten bis zu zehn Stunden am Tag ausgeführt und sorgen somit für optimale Bedingungen für die anstehende Blüte.
Ein wichtiger Zeitpunkt für uns Winzer ist die Blüte. Eine alte, jedoch bedingt durch den Klimawandel leider oft nicht mehr zutreffende Regel besagt, dass einhundert Tage nach der Blüte geerntet werden kann. Die Blüte ist wie jedes Jahr ein Zeitpunkt, der uns ein Kaffeesatzlesen über den anstehenden Jahrgang erlaubt. In erster Linie können wir eine Prognose über die zu erwartende Menge, nicht jedoch über die Güte dessen abgeben. Unterschiedliche Rebsorten blühen unterschiedlich früh und je nach Lage schnell. Wir Winzer sprechen von der Vollblüte, wenn die frühen Sorten in der abgehenden und die späten Sorten in der beginnenden Blüte sind. Während der Blüte ist es wichtig, die Reben „in Ruhe zu lassen“. In dieser Zeit machen wir nur falls unbedingt notwendig Pflanzenschutz. Alles andere ruht. Dementsprechend wichtig ist es, dass die Vorarbeiten zu diesem Zeitpunkt beendet sind. Die Blüte an sich verlief ruhig und vielversprechend.
Die Wochen nach der Blüte verliefen im Wesentlichen recht ausgeglichen und ruhig. Der Ansatz war normal bis gut und die Menge schien sich in einem guten Schnitt der letzten Jahre zu befinden.
Anfang bis Mitte Juli wurde es erneut ungewöhnlich kühl. Die Vegetation stieg erneut „auf die Bremse“. Zwei Wochen war es windig, bedeckt und die Temperaturen sanken. Nun war klar, dass die diesjährige Ernte auf sich warten lassen würde. Hatten wir in den Vorjahren zum Teil schon Mitte August mit der Ernte begonnen, befanden wir uns nach dieser Entwicklung bereits Anfang September. Es sollte dennoch noch später werden…
Nachdem die Temperaturen sich wieder normalisiert hatten, stellte sich jedoch schon heraus, dass wir mit diesem Jahrgang einen besonders fordernden Jahrgang vor der Brust hatten. Es zeichnete sich ab, dass sich aufgrund der beschriebenen Witterungsverhältnisse vor allem die physiologische Reife verzögern würde.
Als Winzer ist es uns heutzutage möglich, mit Hilfe modernster Analyseverfahren, gewisse Parameter zu erheben und zu messen. Die Klassiker sind hier Mostgewicht, Säure und pH-Wert. Diese Werte zeigen im Normalfall ein gutes Bild dessen, was wir als Winzer von einem Jahrgang zu erwarten haben und wann die Ernte beginnt.
Das Wichtigste in diesem Zusammenhang sind jedoch keine Werte oder Analysen, sondern tatsächlich die Reife der Beeren und Trauben. Es war schnell erkennbar, dass die physiologische-, und geschmackliche Reife der Beeren nicht soweit war wie es die Werte und Analysen vermuten ließen. Diese Schere zeigte sich im August noch deutlicher. Steigende Mostgewichte und sehr stabile pH-Werte ließen die Ernte näherkommen. Es zeichnete sich ab, dass wir auf diese Situation reagieren mussten.
Am 06.09. war es dann soweit und wir starteten mit der Ernte.
Schon die ersten Chargen bestätigten unseren Verdacht. Mit diesem Lesegut musste, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen, sehr bedacht verfahren werden. Einerseits hatten wir gute, bis sehr gute Mostgewichte und Säurewerte, andererseits waren die Beeren sehr aromatisch, jedoch physiologisch leider nicht in der gewünschten Verfassung.
Auf diesen Umstand reagierten wir mit deutlich erweiterten Maischestandzeiten. Das bedeutet, dass wir das Lesegut auf die Pressen verfrachten und dort bis zu 10 Stunden stehen ließen. Der Effekt davon ist, dass wir die Trauben mit Hilfe der natürlichen, bereits im Weingarten vorhandenen Enzyme, sogenannter Pektinasen, im wahrsten Sinne des Wortes ziehen ließen. Eben jene Enzyme bewirken, dass sich das Fruchtfleisch der Beeren „aufspalten“ und somit die gewünschten Inhaltsstoffe, wie z.B. Aromastoffe und andere wertgebende Inhaltsstoffe extrahiert werden konnten.
Die Konsequenz daraus war, dass wir unsere gesamte Ernte auf jene Standzeiten ausrichten mussten. Konnten wir früher lesen wie und vor allem wann wir es für richtig hielten, mussten wir dieses Jahr nach der Kapazität unserer Pressen und den damit verbundenen Maischevolumina ernten.
Sauvignon Blanc, Gelber Muskateller und Grüner Veltliner ernteten wir in eben in jenem Modus. Die ersten gärenden Moste zeigten bereits, dass wir uns richtig entschieden hatten. So mühsam es war und soviel es allen Beteiligten abverlangte, umso besser zeigten sich die ersten Gärungen. Stabil in der Frucht, mit leichtem Druck am Gaumen und bereits jetzt erkennbarer Struktur und Textur. Die Weine zeigten sich feingliedrig und sehr präzise.
Nach diesen sehr anstrengenden zwei Wochen kam eine kurze, jedoch sehr wichtige Regenphase. Bedingt durch diese Niederschläge schloss sich eben jene Schere und die physiologische Reife „zog nach“. Nun galt es den Erntemodus erneut zu verändern und darauf zu achten, eben jene Eleganz und Strahlkraft der Weine auch bei den höheren Qualitäten wie dem Pinot Blanc Leithaberg DAC zu erhalten. Die beiden Leithaberg DAC Weine Grüner Veltliner und Pinot Blanc wurden Ende September bei denkbar optimalen Bedingungen geerntet. Nach der Ernte in den 25 kg Kisten machten beide Weine eine 10-stündige Maischestandzeit. Anschließend wurden sie gepresst und in die 500er bzw. 3200er Holzfässer zur Gärung gebracht.
Auch bei den Rotweinen näherten wir uns den höheren Qualitäten. Nach der vielversprechenden Ernte unserer klassischen Sorten Zweigelt und Blaufränkisch war klar, dass wir von unseren DAC bzw. Riedweinen Großes zu erwarten hatten. Anfang Oktober was es dann soweit: Wir ernteten perfekte Blaufränkisch Trauben für Leithaberg DAC und Ried Umriss. Die Beeren hatten Spannung und waren optimal reif – beste Voraussetzungen für jene eleganten und vielschichtigen Weine.
Mit den Qualtäten für unseren HILL1 konnten wir aufgrund der nun herrschenden perfekten Bedingungen sogar noch einige Tage mit der Lese zuwarten. Nachdem wir unsere Premiumanlagen im Joiser Altenberg schon zwei Wochen zuvor vorgelesen hatten, gönnten sich die Trauben noch ein zweiwöchiges, sehr entspanntes Sonnenbad. So konnten wir am 15.10. unsere Top-Qualitäten für unseren HILL1 nach Hause holen und die Ernte war geschafft.
2021 wird uns noch lange in Erinnerung bleiben. In dieser Ernte war vor allem eine schnelle Reaktion auf sich ändernde Bedingungen gefordert. Es verlangte uns allen alles ab. Müde, aber vor allem stolz, werden wir noch lange an dieses Jahr zurückdenken. Ohne unser perfekt geschultes Leseteam, unsere unermüdlichen Logistiker und Traubenchauffeure und vor allem ohne unser konzentriertes und präzises Kellerteam wäre diese Ernte für uns sicher anders verlaufen. Manchmal drückt das Wort Danke nicht einmal ansatzweise aus, was man sich auszudrücken wünscht.
Eines jedoch ist sicher, die 21er Weine werden uns in den nächsten Jahrzehnten noch oft schmunzelnd an dieses Jahr zurückdenken lassen.
DI (FH) Peter Zuschlag, Kellermeister